Dienstag, 27. Juli 2010

Wie tief kann man sinken, Frau Herman?


Natürlich. Als gestandene Journalistin darf man ein mediales Dauerthema nicht unkommentiert lassen. Schon gar nicht, wenn es sich wieder einmal köstlich polarisieren und ins Abseits drängen lässt.

So (wiederholt) geschehen am vergangen Sonntag, als Deutschlands letzte deutsche Journalistin - die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Herman - ihren Senf zu dem aktuellen Dauerthema Nummer Eins abließ: der Katastrophe während der Loveparade in Duisburg.

"Sex- und Drogenorgie Loveparade: Zahlreiche Tote bei Sodom und Gomorrha in Duisburg"

So lautet der Titel ihres Statements, das ihr neuer Arbeitgeber - der pseudowissentschaftliche Kopp-Verlag, der sich auf die Veröffentlichung aus der rechten Esoterik und der neuen Rechten sowie auf Verschwörungstheorien spezialisiert hat - auf seiner Internetseite veröffentlichte. Dass Frau Herman in den Vorfällen eine Katastrophe biblischen Ausmaßes sieht, einen Racheakt Gottes gegenüber den "betrunken oder vollgekifft" wirkenden Jugendlichen, scheint bei dieser Überschrift nicht verwunderlich. Dass Frau Herman in ihrem Artikel eine glanzvolle Ignoranz gegenüber modernen Subkulturen ("Das ohrenbetäubende, stereotype Rave-Gehämmere, das nicht mehr im Geringsten etwas mit dem einstmaligen Begriff von Musik zu tun hat, zerschmettert ihnen über zahllose Stunden Trommelfelle und Nervenkostüme.") an den Tag legt, möge man ihr, angesichts des Koppschen Zwanges, sich von der allgemeinen medialen Landschaft abzusetzen, auch noch verzeihen.

Doch die Dämonisierung ("Riesige dunkle Wolken der Enthemmung und Entfesselung treiben über dem Geschehen, die jungen Menschen wirken, als hätten sie jegliche Selbstkontrolle abgegeben, ekstatisch und wie im Sog folgen sie dem finsteren Meister der sichtbaren Verführung.") der Loveparade inklusive der gesamten Jugendkultur und den Jugendlichen selber (woran natürlich die 68er schuld sind: "Die unheilvollen Auswüchse der Jetztzeit sind, bei Licht betrachtet, vor allem das Ergebnis der Achtundsechziger, die die Gesellschaft »befreit« haben von allen Zwängen und Regeln, welche das »Individuum doch nur einengen«.") und die damit einhergehende Ehrlosigkeit den Opfern gegenüber sind es, die für Kopfschütteln sorgen. Waren nicht das die Werte, die Frau Herman in der modernen "befreiten" Welt (sogar Josef Ratzinger aka Bendikt XVI wird wohl die Errungenschaften wie Freiheit und Gleichheit mehr schätzen als Fräulein Eva) vermisst? Ehre, Respekt, Aufrichtigkeit - verrät da jemand seine eigenen Ideale, Frau Herman? Zumal sogar ihr Herr Hitler ein großer Fan von Massenveranstaltungen war - und wir wissen ja von Ihnen, dass "damals nicht alles schlecht war", oder?

Aufatmen!

Die gesamte, exorbitante Frechheit gipfelt dann in ihrem Schlussstatement: während sie eine höhere Macht des Eingreifens bezichtigt, um dem "schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen", erklärt sie sich fast zufrieden mit dem Ausgang - "Was das angeht, kann man nur erleichtert aufatmen!"

Hier fehlen einem die Worte, es mischt sich unter die Wut und Verstörung aber auch ein anderes Gefühl: Mitleid. Denn wer so etwas nötig hat, um seinen Vertrag zu erfüllen, um weiter im Gespräch, in den Medien zu bleiben (am nächsten Tag erschien bei Kopp ein Herman-Artikel mit dem Titel "Große Resonanz auf »Loveparade«-Artikel") und um überhaupt irgendetwas kommentieren zu können, der hat sehr viel von einem Gut, einem Wert eingebüßt, der sehr viel älter ist als die Werte der heutigen Jugendkulturen oder der 68er : nämlich die jedem Menschen gegebene Würde.

Wie tief kann man sinken, Frau Herman?

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